Bange Zuversicht.
Zulehner, Paul M.: Bange Zuversicht. Was Menschen in der Corona-Krise bewegt. - Die Coronapandemie hat das Lebensgefühl der Menschen tiefgreifend verändert. Zum Schutz von Risikogruppen wurde vorübergehend das gesellschaftliche Leben zum Stillstand gebracht. Dabei ist die Weltwirtschaft in eine dramatische Rezession geschlittert.
Die teils drakonischen Maßnahmen wurde von einem Großteil der Bevölkerungen bereitwillig mitgetragen. Doch bald ist ein engagierter gesellschaftlicher Diskurs aufgebrochen. Diskutiert wird um grundsätzliche Fragen. Was hat Vorrang: Gesundheit und Sicherheit oder Freiheit und Wirtschaft? Nicht wenige sehen die Pandemie-Krise als Chance für Veränderungen. Sie sehen einen neuen Lebensstil kommen, beobachten eine beschleunigte Digitalisierung und fordern eine Ökologisierung der Ökonomie. Denn die Klimakrise sei weitaus gravierender als die Pandemie und fordere ebenso entschlossenes Handeln. Vom Lockdown betroffen sind auch die christlichen Kirchen und ihre gottesdienstlichen Versammlungen. Die Sorge geht um, dass sich in der Zeit der Pandemie viele Gewohnheitschristen den Kirchen weiter entwöhnt haben. Andere sehen im Rückzug des kirchlichen Lebens aus den Kirchengebäuden in die Häuser eine Chance zu dessen Entklerikalisierung und Erneuerung.
Eine internationale Online-Umfrage in zehn Sprachen hat dazu die Meinungslage in den Bevölkerungen eingeholt. Dabei zeigt sich, dass in all den genannten Fragen die Bevölkerungen, aber auch die Nationen tief gespalten sind. Zudem stehen die Regierenden vor enormen sozialen und klimapolitischen Herausforderungen.
Der Religions- und Wertforscher Paul M. Zulehner legt die Ergebnisse der Studie vor und interpretiert sie pastoraltheologisch.
240 Seiten, ISBN: 978-3-8436-1303-3, Preis 20.00 EUR
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Eine Rückmeldung zum Buch.
Ich hatte die Umfrage mitgemacht und lange beantwortet. Das ist natürlich ein fundamentales Büchlein geworden, weil es die ganze Problematik unserer Gesellschaft zeigt. Die Fragestellungen, die Du sehr valide formulierst und die daher treffliche Antworten bringen, berühren Grundsatzfragen. Deine Schlussfolgerungen zu den Folgen der Pandemie für den Glauben und den Gottesdienst aller Glieder der Kirche sind fundamental.
Die Fragen, die viele Menschenbewegen: wie kann ein guter Gott die Seuche mit ihrem Leid zulassen? Also in anderem Gewande die Holocaust Frage. Die "Strafe Gottes" Antwort, die z.B. Chassidim dafür finden" hat die Kirche gottlob nicht gegeben. Eine bestimmte Sprach- und Hoffnungslosigkeit kommt aber aus der Umfrage schon heraus. Schönborn in der Weihnachtsvesper am 24.12. in seiner sehr ergreifenden Predigt (sichtlich geschwächt, erbarmenswürdig), beneidet die Juden, weil sie auf den Messias noch warten können, während wir ihn in Jesus Christus erkennen. Er interpretiert dann die berühmten Jesaias Stellen, der M. als Friedensfürst, und meint, dass dieser Frieden nicht gekommen sei, was die Zweifel begründet - er konnte sie dann nicht ausräumen. Leider. Mir fiel Walter von der Vogelweide ein "Wer in heutigen Zeiten leben will, muss haben ein starkes Herz..."
Deine Untersuchung zeigt auch die tiefreichende Diskussion auf: sind Demokratien schlechter dran bei der Pandemiebekämpfung als Autoritäre? Die starke Minderheit von immer 30%, die Maßnahmen ablehnt, aus den verschiedensten Gründen, wird in der demokratischen Öffentlichkeit breit wiedergegeben und darf sich wirksam äußern, und bewirkt Unsicherheit. In Österreich verstärkt durch den ORF, die wirksamste Opposition zur Regierung, der nur kritisiert und den Freiheitlichen viel zu viel Raum gibt. Immer gleiche Muster: einmal die Regierung, dann drei Oppositionsstimmen. Die Autoritären lassen das alles nicht zu und ziehen ihre Politik durch - und sind erfolgreicher. Der Preis ist zu hoch, wir müssen die Demokratie verteidigen und daher mit der bangen Zuversicht (ein glänzender Titel) leben, und den vielen Anfechtungen.
Die Gesellschaft wird sich ändern, die ökosoziale Ordnung aber stärker und nicht schwächer werden. Die Träumer, die glauben, wie unser lieber HBP VdB jetzt werde sich alles ändern und eine Attac affine Ordnung entstehen, bleiben "sonderbare Schwärmer" (c F. Schiller) . Aber die Flexibilität und Digitalisierung der Arbeitswelt im Zeichen von KI und Cobotern (= cooperative Roboter) geht rasant voran. Bildung und Ausbildung werden noch bestimmendere Ressourcen. Und da gäbe es noch Vieles.
Deine Thesen sind beeindruckend und evident. Besonders die neue soziale Frage und die Frage des Gottesdienstes. Gerade bei letzterem müssen wir uns alle etwas einfallen lassen. Ich glaube, dass die Kirchen in Österreich auf der einen Seite zu lax waren (in allen Gottesdiensten die wir in den letzten Wochen besuchten wurde trotz Verbotes gesungen, kein Priester schritt ein, auch Schörghofer nicht) auf der anderen Seite hat man die Tätigkeiten zu generell eingestellt. Auch hier könnte man die virtuelle Welt einsetzen: Zoom Gottesdienste der Pfarren u.ä.) und die Zeit nutzen, die viele Eingesperrte Alte ebenso haben, wie die Kurzarbeiter und die Home Schooling Kinder. Die zur Weihnachtszeit im ORF übertragenen Gottesdienste aus dem Stephansdom waren unserer Ansicht nach ergreifend. Also auch die Kirche sollte s.o. die Folgen der Pandemie auswerten und ihrer Methoden nutzen.
Dein Buch gibt Grund für viele Diskussionen und ich hoffe, dass es auch im ORF propagiert wird - in den zahlreichen Formaten, im ORF Hörfunk Ö1 höre ich täglich die links - liberal grüne Blase ihre Bücher vorstellen und die Diskussionen darüber, ebenso wie im Fernsehen - vor allem ORF III. Aber da hast Du ja die besten Beziehungen, nutze sie!
Prof. Dr. Andreas Khol, langjähriger Parlamentspräsident in Österreich
28.1.2021